Biomechanik Tattoo

Bio und Mechanik – miteinander verbunden, klingt zunächst absurd. Während Biologie etwas Natürliches ist, beschreib die Mechanik zunächst maschinelle Vorgänge. Was sollen Natur und Maschine miteinander zu tun haben? Wie passt das überhaupt zusammen? Nun, zunächst einmal stellt die Mechanik auch die Lehre der Bewegung in der Physik dar. Sie beschäftigt sich also damit, warum sich Dinge wann wie bewegen. Technisch gesehen bedeute Biomechanik also die Lehre der biologischen Fortbewegung. Was hat das nun mit dem Tattoo Stil Biomechanik zu tun? Ein biomechanisches Kunstwerk kann sowohl biologische und organische Elemente wie Muskeln, Sehnen, Knochen etc. darstellten, die quasi ohne Haut oder als Ersatz dieser gezeigt werden. Diese Elemente können dann mit maschinellen Bestandteilen kombiniert werden, wie z.B. Zahnrädern, Metallverbindungen, Muttern und Schrauben usw. Die Absurdität der Verbindung von Natur und Technik ist dabei gewollt und lässt viel Interpretationsfreiraum, ähnlich wie in passenden Kunstrichtungen auch. Sind wir am Ende mittlerweile nur noch Maschinen, die funktionieren statt zu leben? Wird der Körper an sich als Maschine abgewertet oder aufgewertet? Oder sind viele Dinge in uns so genetisch vorgegeben, dass wir nur so handeln können? Soll es nur unseren Bewegungsapparat unterzeichnen und verständlicher machen? Soll es Stärke und Unverletzbarkeit symbolisieren? Die Möglichkeiten der Deutung sind vielseitig. Wichtig für eine gute Biomechanik Tatowierung ist es, den Fluss des Körpers durch das Design des Tattoos zu unterstreichen, sodass die Bewegungen des Körpers harmonisch mit dem Design „fließen“ können. Ein biomechanisches Tattoo enthält zumindest Bestandteile beider Bereiche. Welche, wie kombiniert, und warum sind Fragen, die man immer nur für den Einzelfall beantworten kann – schließlich ist und bleibt jeder Mensch ein Individuum. Werfen wir einen Blick in die Vielfalt der Biomechanik.

Wie ist Biomechanik entstanden?

Der eigentliche Grundgedanke hinter Biomechanik ist mit Sicherheit deutlich älter als die eigentliche Stilrichtung selbst. Der Zentrale Gedanke um Androiden und den menschlichen Körper zu verbessern kursiert schon seit geraumer Zeit in den Köpfen der Menschen, besonders Autoren wie Isaac Asimov (1919-1992) und Philip K. Dick (1928-1982) gelten als Pioniere dieser Ideen. Diesen Gedanken ein künstlerisches Gesicht zu geben und sie zu veranschaulichen gelang dann jedoch erst dem Schweizer Künstler H. R. Giger (1940-2014). Seine Visionäre Kunst und die Verbindung zwischen Mechanik und Organik gelang in kürzester Zeit zu weltweitem Ruhm und traf Mitte der 70er Jahre genau den Zeitgeist. Sein Mitwirken in Filmen wie „Alien“ und „Dune der Wüstenplanet“ half ihm und seiner Kunst schnell Anklang in der Sci-Fi und Horror-Szene zu finden. Durch diesen Ruhm und die Verbesserung der Technik des Tätowierens kam es zu den ersten Tätowierungen von Bildern von Giger, dies war die Geburtsstunde der Biomechanik. In den 90er Jahren entwickelte sich die Stilrichtung durch Szenegrößen wie Aaron Cain und Guy Aitchison insofern weiter, dass nicht nur noch Designs von Giger übernommen wurden, sondern Tätowierer anfingen, diese Stilart umzugestalten und weiterzuentwickeln. Giger hat abgesehen von der Biomechanik auch einen maßgeblichen Einfluss auf Horror-Tätowierer gehabt, ganz besonders natürlich auf die Horror-Legende Paul Booth, welcher wiederum sehr viele andere Tätowierer durch sein Wirken beeinflusste. So ist Giger heutzutage aus beiden Stilrichtungen nicht mehr wegzudenken.

Varianten der Biomechanik

Biomechanik gliedert sich durch die Komplexität des Feldes in verschiedene Felder auf. Grenzen sind diesem Stil lediglich durch die eigene Phantasie gesetzt. Daher ist es schwer, das Feld komplett zu umreißen, aber anbei einige Unterkategorien.

Mechanik

Die für viele einfachste Variante ist die rein mechanische Variante. Das heißt, man tätowiert ein Motiv so, als wäre die Haut an einigen Stellen aufgerissen und darunter sind Maschinenteile wie Federn, Kolben, Zahnräder, Kabel und Schläuche zu sehen. Dies ist die einfachste Variante der Biomechanik und ein guter Einstieg in deutlich komplexerer Formen dieser Stilart.

Anatomie

In dieser Art der Biomechanik wird ähnlich wie bei der Mechanik oft mit Hautaufrissen gearbeitet, nur zeigt diese Variante oft die direkte Anatomie der Körperstelle durch die darunter liegenden Muskelstränge.

Organik

Bei organischen Elementen wird oft auf die Hautaufrisse verzichtet und man arbeitet so als würde sich die Haut an sich transformieren und zu anderen Formen verwandeln, fast so als wäre die Haut mutiert. Oft nehmen sich Tätowierer Elemente und Texturen aus der Natur wie etwa Stein- oder Holztexturen als Vorbild um das Erscheinen der Formen realistischer und interessanter zu gestalten. Diese Unterart der Biomechanik ist besonders durch Science Fiction Literatur geprägt und folgt dem Gedanken der nächsten Evolution des Menschen. Manche verstehen diese Stilrichtung auch als „Huldigung“ der Natur bzw. des Lebens, da sie die Komplexität der Natur und ihre Anpassungsfähigkeit wiederspiegelt.

Gigermech

Wer Biomechanik sagt kommt an dem berühmten Schweizer Künstler H.R. Giger nicht vorbei. Diese Stilrichtung widmet sich dem Schaffen dieses Künstlers und versucht, ähnlich wie Giger, die Grenzen zwischen Mechanik und Organik verschwimmen zu lassen. Dies bedeutet, man arbeitet sowohl mit mechanischen als auch organischen Elementen und kombiniert sie so, dass sie zu einem werden. Dieses Stilrichtung ist wohl die interessanteste und tiefgründigste Variation, da sie abseits von ihrem optischen Anspruch auch die philosophischen Fragen der Science Fiction Literatur aufgreift. Was bedeutet Mensch sein? Wo ist die Grenze zwischen uns und Maschinen? Was passiert, wenn diese Grenzen überschritten werden? Fragen, die Filmen wie "Blade Runner“ bzw. dem Buch „Träumen Androiden von elektronischen Schafen?“ zu Grunde liegen und schon immer wesentlicher Bestandteil der Sci-Fi Literatur waren. Gerade heute, wo Technologie immer mehr unseren Alltag übernimmt, Augmented Reality, Virtual Reality, Implantate, Künstliche Intelligenzen und immer komplexere Prothesen zu ganz normalen alltäglichen Erscheinungen werden, ist dieser Bereich aktueller denn je.

Warum Biomechanik? Josh Van Gore:

„Mich reizt besonders die gestalterische Freiheit bei der Biomechanik, es ist toll, sich ein Design auszudenken, zu sehen wie es zu Leben erwacht, wenn ich die Vorlage auf die Haut übertrage und ich es das erste Mal in Bewegung sehe. Die nahe unendlichen Möglichkeiten, die Biomechanik bietet, lässt mir dabei viel Spielraum, mich selbst in das Design einzubringen und etwas wirklich Einzigartiges zu schaffen. Wo man im Realismus sehr viel nach einer Fotovorlage arbeitet hat man in der Biomechanik die Möglichkeit, gestalterisch selbst zu erschaffen, so ist jedes Design individuell angepasst und jedes Tattoo ein echtes Unikat. Weiterhin bin ich schon immer ein sehr großer Fan von Giger gewesen und in gewisser Weise fühle ich mich, als würde ich seine Tradition bzw. seinen Urgedanken weiter tragen.“ Vorbilder im Bereich Biomechanik Aus dem Kunstbereich wären auf jeden Fall zu nennen H. R. Giger und Zdislaw Beksinski. Im Bereich des Tätowierens sind es Sam Nugent (Insamnia), Stepan Negur, Tommy Lee Wendtner, Kali Davidson, Eric De L’Etoile, Jeremia Barba und Markus Lenhard.

Mögliche Biomechanik Motive

In der Motivwahl oder Kombinationsidee gibt es wie gesagt keine Grenzen in der Biomechanik. Von mechanischen Tieren, ähnlich wie im aktuellen „Horizont Zero Dawn“ Spiel, oder einem Sleeve der durch „Warhammer 40k“ inspiriert wird, ist alles möglich. Biomechanik ist seit je her großer Bestandteil der Populär-Kultur und findet sich durch Androiden oder halb -Mensch/ halb Maschinen- Wesen in fast allen Sci-Fi orientierten Filmen und auch Spielen wieder. Die bekanntesten Vertreter dafür sind sicherlich „Star Wars“, „Star Trek“, „Terminator“, „Matrix“ und auch die „Deus Ex“ Reihe.